Nachruf – Gedenken an Prof. em. Dr. Dr. h.c. Rudolf W. Keck (PM der Uni Hildesheim)

Die Universität Hildesheim trauert um Prof. em. Dr. Dr. h.c. Rudolf W. Keck. Er verstarb am 27. März 2023 im Alter von 87 Jahren. Von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2001 lehrte und forschte er als Professor für Schulpädagogik in Hildesheim zu verschiedenen Themenfeldern der Schul- und Unterrichtsforschung, Allgemeinen Didaktik und Historischen Bildungsforschung. Über die Jahrzehnte gelang es ihm, eine Vielzahl an Nachwuchswissenschaftler*innen für die Erziehungswissenschaft zu begeistern. Zudem führte er gemeinsam mit Kolleg*innen das Konzept der Schulpraktischen Studien (SPS) ein – bis heute ein zentraler Bestandteil des sogenannten Hildesheimer Modells der Lehrer*innenbildung an der Universität Hildesheim.

Am 16. Oktober 1935 in Schwäbisch Gmünd geboren, schloss Rudolf W. Keck sein Lehramtsstudium 1959 an der dortigen PH ab. Nach einer zweijährigen Lehrtätigkeit an der Kepler-Mittelschule Ulm absolvierte er ein Zweitstudium der Erziehungswissenschaft, Philosophie, Psychologie und Geschichte an den Universitäten Tübingen und Saarbrücken.

Auf die Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes folgte 1966 die Promotion zum Dr. phil. mit dem Thema Geschichte der Mittleren Schule in Württemberg: Motive und Probleme ihrer Entwicklung von der Reformation bis zur Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung von Stuttgart und Ulm. Nach Stationen an der PH Vechta und der PH Niedersachsen Abteilung Braunschweig folgte er 1972 dem Ruf nach Hildesheim, damals noch an die PH Niedersachsen Abteilung Hildesheim. Zwischen 1973 und 1990 lehrte Rudolf W. Keck parallel auch an den Technischen Universitäten Clausthal und Braunschweig. Seit 2001 war er Emeritus an der Universität Hildesheim.

Die Vielfalt seiner Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte wird am weiten Spektrum seiner Publikationen deutlich. Zu nennen sind dabei die empirische Untersuchung zu Hausaufgaben an Ganztagsschulen (1978), die Auseinandersetzung mit Medien im Bildungskontext (1987) sowie Bestimmungsversuche zur Stellung der Fachdidaktik zwischen Allgemeiner Didaktik und Fachwissenschaft (1990). Als grundlegendes Werk für das Studium veröffentlichte er 1994 zusammen mit U. Sandfuchs das Wörterbuch Schulpädagogik, das 2004 in einer Neubearbeitung erschien. Anzuführen ist darüber hinaus seine Mitwirkung am einschlägigen Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik (2001). Mit Fragen der Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule setzte er sich schon früh und wiederholt (1978, 1981, 2001) auseinander. Wichtige Forschungsergebnisse zu Bildern als Quellen der Bildungsgeschichte (2004 und 2006) entstanden im Rahmen seiner Arbeit an einem Bildarchiv. Die große Bandbreite seiner Forschungsinteressen wird dadurch deutlich, sie ließe sich mit einer Vielzahl weiterer Veröffentlichungen ergänzen. Auch zur Entwicklung der Disziplin trug er bei, engagierte sich in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und übernahm dort von 1989 bis 1993 den Vorsitz der Historischen Kommission (heute Sektion Historische Bildungsforschung).

Aus Rudolf W. Kecks Werdegang geht deutlich hervor, dass seine Passion für die Lehre und seine Forschungsambitionen sich stets wechselseitig bedingten. Er wurde nicht müde, neue Themenfelder intellektuell zu erschließen und andere – und neue – Weggefährt*innen und Studierende für diese zu begeistern. Ein über 30 Jahre regelmäßig allein oder in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen durchgeführtes Kolloquium mit Studierenden und Doktorand*innen, mit Mitgliedern seines Instituts und Kolleg*innen aus dem Hause, mit denen er einen interdisziplinären Dialog anregte, ist ein deutliches Zeichen dafür. Über viele Jahre war er zudem Vorsitzender des Promotionsausschusses und engagierte sich für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Ferner ist auf die Verdienste von Rudolf W. Keck beim Ausbau und bei der Profilierung der Lehrer*innenbildung am Standort Hildesheim zu verweisen. Die von ihm initiierten Schulpraktischen Studien (SPS) sind bis heute zentraler Bestandteil des sogenannten Hildesheimer Modells der Lehrer*innenbildung an der Universität Hildesheim. Das bis in die 1970er Jahre zurückreichende Konzept der SPS setzt auf das Sammeln von ersten unterrichtspraktischen Erfahrungen bereits zu Studienbeginn, wobei die Lehramtsstudierenden aber zugleich an eine theoriebasierte, wissenschaftlich reflektierte Auseinandersetzung mit der Schulpraxis herangeführt werden.

Ein besonderes Interesse zeigte Rudolf W. Keck für die historisch-pädagogische Bildforschung, für die insbesondere sein Langzeitprojekt „Pictura Paedagogica Online“ – ein umfassendes und bis heute international nachgefragtes Bildarchiv – steht. In Kooperation mit der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) in Berlin ging das am damaligen Institut für Angewandte Erziehungswissenschaft und allgemeine Didaktik der Universität Hildesheim angesiedelte Projekt bereits 1999 online.

Ebenso zentral war für ihn die Befassung mit bildungshistorischen Fragestellungen auch lokal vor Ort. Schon in den 1970er Jahren sammelte Rudolf W. Keck schul- und unterrichtsrelevante Realien aus Beständen, u. a. aus aufgelösten Volksschulen im Zuge der Schul- und Verwaltungsreform von 1968/70. Hierdurch entstand eine umfangreiche Schulhistorische Sammlung, welche den Grundstock für das von ihm gegründete spätere Schulmuseum in Hildesheim bildete. In Rahmen von historischen Zeitreisen und Unterrichtsdarbietungen im historischen Klassenzimmer des Museums schlüpfte Rudolf W. Keck für Besucher*innen in die Rolle einer Lehrkraft der Wilhelminischen Ära.

In seiner Funktion als Vorsitzender der Stiftung Schulmuseum und Bildungshistorische Forschung der Universität Hildesheim e. V. seit 2003 blieb er dem Schulmuseum lange verbunden. Auch in der Stadt Hildesheim übernahm Rudolf W. Keck verschiedene Funktionen und hatte den Vorsitz des Hildesheimer Museumsvereins für das Römer- und Pelizaeus-Museum (1987–2002) inne und war als Beirat des Vereins für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim (1983–93) tätig.

2012 verlieh ihm die Universität der Hildesheimer Partnerstadt Nowgorod aus gutem Grund die Ehrendoktorwürde: Als Präsident der Internationalen Akademie zur Humanisierung der Bildung (2000–2004) und als auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie für Bildung bemühte er sich auch nach seiner Emeritierung um die Förderung bilateraler Beziehungen zwischen Russland und Deutschland.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Rudolf W. Kecks Wirken zeigt und belegt seine großen Verdienste für die Erziehungswissenschaft und die Universität Hildesheim. Viele frühere Kolleg*innen, Mitstreiter*innen und ‚Schüler*innen‘ hatten bis zu seinem Tod noch immer fachlichen und privaten Kontakt mit ihm. Die Universität Hildesheim, der Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften und das Institut für Erziehungswissenschaft werden ihn in dankbarer Erinnerung behalten.

Hildesheim, den 31. März 2023

Dr. Hartmut Schröder und Dr. Sabine Kirk

Institut für Erziehungswissenschaft

Fachbereich 1: Sozial- und Erziehungswissenschaften

Präsidium der Universität Hildesheim